150-jährige Geschichte der Pfarrkirche St. Silvester

Der wuchtige gotische Kirchturm mit Satteldach und Treppengiebel ist ein Wahrzeichen von Emmingen. Wahrhaft reckt er sich mit einer Höhe von 32 m wie ein trutziger Bergfried über die Dächer empor. Aus dicken Quadersteinen ist er gefügt hat seit Jahrhunderten mit seinen meterdicken Mauern jedem Sturm und Wetter getrutzt. Die Jahreszahl 1584, die auf dem Gesimsstein des Südfensters beim Glockenstuhl eingemeißelt ist, bezeichnet wahrscheinlich das Jahr seiner Vollendung. Seine morschen Stiegen, die teilweise knarrten, und auch die zwei Turmböden wurden vor einigen Jahren ausgebessert. Noch bis vor ca. 30 Jahren musste der Messner täglich zum Uhrwerk aufsteigen und dieses aufziehen, ebenso die Glocken mit Seil bedienen. Heute läuft alles elektrisch.

Die erste Kirche wurde laut Urkunde im Jahr 1436 gebaut. Vorher war sicher auch schon eine Kirche im Ort, vielleicht auch nur eine aus Holz errichtete Kirche.

Die alte Kirche wurde 1558 erbaut, die Mauern waren mürbe und rissig geworden, immer wieder bröckelten Stücke heraus. Die Fenster schlossen nicht mehr dicht, durch die Decke sickerte das Wasser und trieb Sommer wie Winter sein heimliches Zerstörungswerk. Zudem war der Bau durch das anwachsende Dorf zu klein geworden. Der Pfarrherr ergänzte seinen Bericht an das Bezirksamt mit der Bemerkung: „Wer die hiesige Kirche nur einen Augenblick betrachtet, wird eingestehen, dass sie schlechter aussieht als ein Gefängnis“.

Im Jahr 1830 wurde ein Neubau erwogen. Aber noch war es ein langer Weg, bis die Arbeiten für einen Neubau beginnen konnten. Ein erster Streit um die Baupflicht entlastete die Gemeinde, da nach alter Beurkundung die Fürstlich Fürstenbergische Standesherrschaft die Pfarrgebäude zu erstellen und instandzuhalten hatte (Patronatsherr). Die Gemeinde wollte auch die Mithilfe bei den Bauarbeiten verweigern und erst auf die energischen Vorhaltungen der Fürstenberger ließen sich die Emminger auch bewegen, mit Fuhr- und Handarbeit am Neubau mitzuhelfen.

Der Bauinspektor Johann Martin legte 1839 Pläne vor, aus denen die jetzige Kirche ausgewählt wurden. Bauunternehmer der Kirche wurde durch Versteigerung der Möhringer Bauunternehmer Josef Mattheis für 13.000 Gulden, einschließlich Abbruch der alten Kirche.

Als alles zum Baubeginn vorbereitet war, stellten sich neue Hindernisse in den Weg. Der Kirchenneubau war viel größer als das alte Gebäude. Das neben der Kirche stehende Schulhaus, genauso im schlechten Zustand wie die Kirche, musste abgebrochen werden. Ebenso war der Friedhof zu verlegen, die Gemeindeschmiede und der Kirchenkasten zu entfernen, alles auf Kosten der Gemeinde, was zu Protesten seitens des Gemeinderates führte. Die Gemeinde werde dem Bau der Kirche nur dann zustimmen, wenn das alte Schulhaus erhalten werde.

Die alte Kirche sollte noch mehrere Jahre stehen bleiben. Die Kosten für ein neues Schulhaus und den neuen Gottesacker wurden aufgeführt und die Verschuldung der Gemeinde mit 40.000 Gulden angegeben. Für neue Wege und Brücken, die nach Engen, Tuttlingen, Liptingen und Hattingen neu anzulegen seien, müssten nochmals weitere 35.000 Gulden aufgebracht werden. Über drei Jahre hin dehnte sich der Streit mit dem Ergebnis, dass die Gemeinde am Ende doch den Kürzeren zog und sich dem Plan des Bezirksamtes fügen musste.

Peter Störk schrieb: „1841 den 3. April, ich war damals 13 Jahre alt, in der Schule neben der Kirche, da kam die Kunde, man schlage die Kirche zusammen. Der Lehrer ließ uns fort und alle rannten der Kirche zu, darinnen war aber niemand als die Mauer vom Heuberg (Wehingen), die wirklich die Stühle auf der Empore zusammenschlugen. Bald kam aber dann der Pfarrer, der auch hörte, dass die Kirche abgebrochen werde. Ebenso verwunderte sich der Bürgermeister Friedrich Specker.“

Das Bezirksbauamt hatte den Bauleuten den Abbruch der Kirche erteilt, um damit den Dorfstreit kurzerhand abzubrechen, denn mit regelrechten Protesten und Streiks wollte die Gemeinde den Kirchenbau verhindern. Auch das Bauholz, das die Gemeinde beizubringen hatte, ließ das Bauamt kurzerhand durch einen auswärtigen Unternehmer auf Kosten der Gemeinde anfahren. Als dieser die Rechnung bei der Gemeinde vorlegte, lehnte diese rundweg ab und erklärte grimmig: „Der kriegt nint!“ Dann läuteten alle Glocken, die Paramente und das Sanktissimus wurde in das Pfarrhaus gebracht, später das Haus des Schusters Siegmund Gnirß, heute Ernst Keller-EKE. Die Bilder und Altartafeln in der Kirche wurden spottbillig verkauft, verschenkt oder zusammengeschlagen.

Die Gemeinde fügte sich widerstrebend dem Plan des Bauamtes. Die Bauleute vermieden jeden Streit gegen die hartnäckigen Gemeinderäte und legten die Fundamente nur bis zum Schulhaus, um das Gebäude vorerst seiner Bestimmung zu erhalten. Die Grabarbeiten waren sehr beschwerlich. Als man die Fundamente für Säulen und Mauern grub, deckte man Gräber auf mit Leichen, die noch am Verwesen waren; niemand wollte graben, da es fürchterlich stank.

Während dann die Bauarbeiten ohne weitere Zwischenfälle voranschritten, musste man für den Gottesdienst einen Behelfsraum finden. Man versammelte sich schon am nächsten Sonntag in der Zehntscheuer (Burgscheuer). Ein Altar aus der inzwischen abgerissenen Kirche diente zur heiligen Messe, rechts im Behälter für Kurzfutter war die Sakristei. Der Geistliche stellte die Buben in den Kälberstall, die Mädchen in den Gänsestall, die Jünglinge in den Rossstall, die Weiber in den Kuhstall und die Männer in den Ochsenstall. Der Chorgesang war auf dem Heuboden.

„Alles schauerlich zum Ansehen“, so klagt der damalige Pfarrer Josef Martin „und noch schauerlicher zum Funktionieren“. „Man denke an die Kälte“, so schreibt der Pfarrer. „In dieser offener Scheuer während des Ostwindes und des Winters, welcher in diesem Jahr besonders kalt war. Aber ärger noch diese Ungemach im Frühling beim Schmelzen des Schnees, wo mir schwere Wassertropfen vom schlecht zugedeckten Dache während des Funktionierens auf den Kopf fielen und ich ihnen nicht ausweichen konnte. Durchnässt und vom Fieber geschüttelt kam ich nach Hause“.

Doch auch dieses Elend nahm ein Ende. Das Bauwerk brachte man noch im Jahr unter Dach. „Die Quersteine holte man hinter Tuttlingen – wahrscheinlich Steinbruch Rußberg. Hierzu waren die Pferdehalter verantwortlich. Die mit den Rindviechern holten Kalksteine aus dem Steinbruch Schlindlistal. Dort hatte der Fürst einen Steinbruch gekauft, ferner den Sand auf Königsteig und die Ziegelsteine zu der Chor- und Fensterwölbung in der Ziegelhütte hier“, so berichtet Peter Störk. Die Steine kamen alle roh hier an, Materialplatz war der Garten oberhalb des Turms. Dort waren fünf Steinhauer aus Tuttlingen und vom Heuberg beschäftigt um die Steine herzurichten. Das Rohmaterial zum Kalkablöschen kam ebenfalls aus der hiesigen Ziegelhütte. Das Wasser für den Bau lief durch die Gasse vom oberen Brunnen her in Deucheln.

Am 10. Oktober 1842 wurde die neue Kirche durch Pfarrer Weggler in Meßkirch, der aus Emmingen stammte, eingeweiht und der festliche Tag begangen. Eine Konsekration durch einen Bischof konnte man sich finanziell nicht leisten. Erst nach der Kirchenrenovation 1957 wurde das Kirchenhaus durch Missionsbischof Augustin Olbert geweiht. Als Altar stiftete die fürstenbergische Standesherrschaft eine barocke Kreuzigungsgruppe aus der fürstlichen Hofkapelle in Meßkirch, doch waren die wundervollen Holzfiguren von der großen Wandfläche nicht recht am Platz. Die Dächer auf der Kirche hielten das Wasser nicht, die Decken wurden nass und fielen herunter. Die Herrschaft hatte erhebliche Kosten, bis endlich im Jahre 1859 die Kirchengemeinde die Kirche durch Vereinbarungen übernahm. Inzwischen wurden die Seitendächer schräg gestellt und mit Blechtafeln abgedeckt.

Der neue Friedhof „ob den Linden“ in der Nähe der Pestkreuze wurde angelegt.

Wie vom Himmel geschickt kam 1850 die Nachricht, dass das Kloster Amtenhausen abgebrochen werde und die Altäre aus dem Jahre 1688 zu vergeben seien. Fürst Karl Egon II. zeigte sich gnädig und schenkte der Gemeinde die ersehnte Zierde für ihr Gotteshaus. Ganz außer sich vor Freunde über die wohlfeile Erwerbung rüsteten die Emminger eine Fuhrkolonne von 65 Wagen und erschienen bereits am Tag nach der erfolgten Zusage an der Amtenhausener Klosterpforte. In aller Hast, als könnte die kostbare Erwerbung ihnen nochmals abgenommen werden, wurden die Altäre zerlegt, kräftige Bauernhände rissen die Bildwerke förmlich von den Postamenten, blinder Eifer beschädigte manches schöne Werk. Und der Transport auf holprigen Wegen tat noch ein übriges an den heilgebliebenen Stücken.

Am Bestimmungsort angekommen zeigten sich weitere Folgen der übereilten Abtragung: Niemand wusste mehr die rechte Aufstellung, geschweige die genauen Maße der Altarfundamente. So begann man eben aufs Geratewohl, mit dem Erfolg, dass wieder neu fundamentiert wurde und immer wieder Teile abgetragen und anders gestellt werden mussten. Ein Wunder überhaupt, dass der Altar in seiner Größe so genau in die Kirche passt, als seien die Maße vorher abgenommen worden. Die Chorstühle sind ebenfalls von Amtenhausen.

Am Sonntag 03. September 1842 wurde zum ersten Mal am neuen Altar zelebriert. Im Hinblick auf die Einwohnerzahl und die ärmlichen Verhältnisse der Gemeinde 1841 wurde die Pfeilerbasilika in der Art der Karlsruher Bauschule wohlproportioniert gebaut. An die Vorgängerkirche erinnert nichts mehr, nur das Kruzifix im Chorbogen, das der Emminger Bildhauer Andreas Keller 1774 schnitzte, scheint übernommen worden zu sein.

… dies ist ein Stück Dorfgeschichte von »166 Jahren. Es ist vergangen Zeit, aber wer aufmerksam in den Spiegel schaut , der entdeckt dabei auch ein Stück vom Gesicht unserer eigenen Zeit – und gar noch vom eigenen Ich.