Der Weg von St. Silvester Emmingen zu einer neuen Orgel
Im Zusammenhang mit der denkmalpflegerischen Durchführung der Renovationsarbeiten wird die vorhandene Braun-Orgel in der Fassung des 1941 erfolgten Umbaus inspiziert. Das Gutachten des Landesdenkmalamtes vom Oktober 1987 bescheinigt teilweise katastrophale Ergebnisse. Hinter einer herrlichen Fassade steht ausschließlich Ersatz- und Kriegsware, unzulängliche Intonation, Störanfälligkeit, der Prospekt zählt allerdings zu den bedeutendsten Schöpfungen des gesamten süddeutschen Raumes und wird als überaus erhaltenswert erachtet.
Keine größeren Summen mehr in die Orgel investieren und langfristig unter Gründung eines Orgelbaufördervereins die Mittel für den Orgelneubau beschaffen, lautet die Empfehlung. Eine Verwendung der historischen Teile sollte mit einbezogen werden. Die Kosten für eine vergleichbare Orgel mit 25 Registern belaufen sich auf ca. 500.000 DM.
Der 1990 gewählte Pfarrgemeinderat beschließt, sich des Projekts anzunehmen und Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Eine realisierungsfähige Variante hat zum Inhalt, die vorhandene Orgel in den Ursprungszustand der Braun-Orgel von 1844 zurückzuversetzen.
Mangels Priorität seitens des Landesdenkmalamtes wurde die Maßnahme nicht genehmigt. Damit war auch der Versuch des Pfarrgemeinderates, das Orgelproblem kurzfristig zu lösen, gescheitert. 1996 werden Angebote bei vier Firmen für einen Orgelneubau eingeholt. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Hohe Kosten, wenig Zuschüsse, noch weniger Eigenmittel vorhanden. Die Kosten müssten zu 90% von der Pfarrgemeinde aufgebracht werden.
Am 16. April 1997 wird mit 40.000 DM Eigenkapital der Orgelbauförderverein St. Silvester gegründet. Der Verein hat nach der Satzung die Aufgabe, Mittel für den Bau einer Orgel der St. Silvesterkirche Emmingen ab Egg zu beschaffen. Nach kurzer Zeit konnte das 50. Mitglied in den Verein aufgenommen werden. Die Mitglieder erbringen durch ihre laufenden Mitgliedsbeiträge den Grundstock für eine Finaazierung der Orgel.
Darüber hinaus konnten viele laufende und einmalige Spendenbeträge eingenommen werden. Besonders zu nennen sind die Adventsbasare, bei denen selbstgefertigte Adventsartikel zum Kauf angeboten wurden. Die Basare haben sowohl vom Besucherandrang als auch vom finanziellen Ergebnis einen sehr erfreulichen Anklang gefunden. Auch die Erlöse der jährlich in der Witthohhalle durchgeführten Erntedank- und Pfarrfeste sind dem Spendenaufkommen des Vereins zugute gekommen. Der Verein hat sich auch regelmäßig mit einer breiten Angebotspalette, vor allem dem allseits bekannten „Spanferkeln“, am Dorffest beteiligt und die Vereinsgemeinschaft bereichert. Nicht vergessen werden dürfen auch die jährlich zu Gunsten des Orgelneubaus durchgeführten Kirchenkonzerte des Kirchenchores und des Musikvereins Trachtenkapelle Emmingen ab Egg. Der Verkauf des „Orgelsektes St. Silvester“ ist als weitere Spendenaktion zu erwähnen, um auch kleinere Aktivitäten zu nennen.
Rückwirkend betrachtet hatte die Gründung des Orgelbaufördervereins eine deutliche Initialzündung zur Folge. Das Projekt ist erst durch die Vereinsgründung und Vereinsaktivitäten wirkungsvoll in die Öffentlichkeit getragen worden. Der Verein ist als neues Mitglied in der Gemeinschaft der in der politischen Gemeinde vorhandenen Vereine wohlwollend aufgenommen und von Anfang an akzeptiert worden.
Neben der Besorgung von Finanzmitteln, die im Wesentlichen über die Aktivitäten des Vereins bewerkstelligt worden ist, waren vielseitige bürokratische Hindernisse für den Orgelneubau zu überwinden. Nach den Bestimmungen des Erzbischöflichen Ordinariats über die Planung und den Bau von Orgelwerken sind von den Pfarrgemeinden ganz genau Verfahrensregeln beim Bau von Orgeln einzuhalten. Hiernach war es zunächst erforderlich, durch das Ordinariat eine Planungsgenehmigung für den geplanten Orgelneubau zu erhalten. Voraussetzung hierfür ist vor allem, dass die Finanzierung des Vorhabens, die anhand eines Finanzierungsplans nachzuweisen ist, gesichert ist. Die Gesamtkosten des Orgelneubaus müssen zu mindestens zwei Dritteln aus Spenden und sonstigen Eigenmitteln finanziert werden.
Für den Erhalt der Planungsgenehmigung waren indes auch zwei Anläufe notwendig. Durch Bescheid des Erzbischöflichen Ordinariats vom 21.06.2001 wurde dieselbe dann erteilt und dem vorläufigen Finanzierungsplan zugestimmt.
In den darauffolgenden Monaten war der Pfarrgemeinderat und die Vorstandschaft des Orgelbaufördervereins unter fachlicher Beratung des Erzbischöflichen Orgelinspektors Herrn Konrad Philipp Schuba intensiv damit beschäftigt, die am besten geeignete Orgelbaufirma zu suchen und zu finden. Es wurde im Zusammenhang mit mehreren durchgeführten Tagesausfahrten eine Vielzahl von Orgelbauwerken von den an der Ausschreibung beteiligten Firmen besichtigt. Danach wurde eine gutachtliche Stellungnahme mit einem Wertungsvorschlag erarbeitet. Der Stiftungsrat hat dann nach Anhörung des Pfarrgemeinderates am 15. Mai 2002 beschlossen, die Fa. Stehle Orgelbau GmbH, Haigerloch-Bittelbronn mit der Aufgabe, den Orgelneubau in der Pfarrkirche durchzuführen, zu beauftragen. Die Genehmigung der Zuschlagserteilung an die Fa. Stehle wurde vom Erzbischöflichen Ordinariat am 27.09.2002 erteilt.
Dabei wurde auch der Finanzierungsplan, der nunmehr Kosten von insgesamt 280.000 € zuzüglich Nebenkosten vorsah, fortgeschrieben und genehmigt. An Zuschüssen sind vom Ordinariat 38.000 € und von der Gemeinde Emmingen-Liptingen 28.000 € gewährt worden. Nach Abzug eines gewährten Darlehens durch die Pfarrpfründekasse werden die aus Spenden des Orgelbaufördervereins aufzubringenden restlichen Mittel bei über 2.600.000 € liegen.
Im August 2002 wurde dann in einem Vororttermin mit dem Landesdenkmalamt und dem Erzbischöflichen Bauamt Konstanz die Statik des Emporenbelags überprüft und die zusätzlich bauseitigen Kosten für die Fassarbeiten am Orgelprospekt, die Elektroinstallationsarbeiten und die Erneuerung des Bodenbelags der Empore ermittelt. Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung wurde bereits 1996 erteilt.
Am 17.10.2002 war es dann endlich soweit. Im Pfarrsaal konnte in einer kleinen Feierstunde der Vertrag über den Bau und die Lieferung der Orgel zwischen der Orgelbaufirma Stehle und der katholischen Kirchengemeinde St. Silvester, vertreten durch den Stiftungsrat, unterzeichnet werden.
Nach 1844 und 1941 wird dies nun die dritte und aus heutiger Sicht natürlich auch die hochwertigste Orgel sein, die in der Pfarrkirche St. Silvester eingebaut worden ist. Der Abschluss der Arbeiten konnte auf November 2003 vereinbart werden. Hierbei kam es uns zugute, dass sich der geplante Bau einer neuen Orgel für die Kirche von Bad Imnau durch einen Riss in der hinteren Kirchenwand verzögerte. Der letzte Feinschliff in der Planung des Orgelneubaus konnte dann in weiteren Vorortterminen im Dezember 2002 festgelegt werden.
Mit der Konstruktion der Orgel konnte nun begonnen werden. Im Juni 2003 konnte durch die Fa. Stehle und unter Mithilfe der Pfarrgemeinde die alte Orgel abgebaut werden. Die zur Wiederverwendung vorgesehenen historischen Teile sind zum Abbau in die Meisterwerkstatt in Haigerloch abtransportiert worden. Die nicht mehr benötigten Pfeifen sind vom Orgelbauförderverein auf dem Dorffest und am Erntedankfest 2003 zum Verkauf angeboten worden.
Mit der Lieferung der neuen Orgel wurde am 29.09.2003 begonnen. Vor dem Abtransport war das gesamte Werk zunächst in der Werkstatt der Fa. Stehle aufgebaut. Die Vorstandschaft des Orgelbaufördervereins hat das Werk in der Orgelbauwerkstatt im September vorab besichtigt. Vor der Lieferung der Orgel musste noch die Kirchenrückwand saniert und ein neuer Boden auf der Empore verlegt werden. Die bisherige Orgel war direkt an der Kirchenrückwand verankert, im Gegensatz zur neuen Orgel, die sich im vollummantelten Gehäuse befindet und die voll umgehbar ist.
Der technische Aufbau der Orgel dauerte bis Oktober 2003. Im Monat November fand die Stimmung und Intonation durch Meister Jehmlich aus Leutkirch/Allgäu statt. An den beiden Adventssonntagen vor der Orgelweihe bestand das Angebot an die Kirchenbesucher, die neue Orgel zu besichtigen.
Am dritten Adventssonntag, 14.12.2003, wurde die neue Orgel feierlich durch Bischof Dominik Kalate eingeweiht und vom Münsterorganist und Erzbischöflichen Orgelinspektor Konrad Schuba erstmalig öffentlich bespielt. Am 21.12.2003 erfolgte unter Mitwirkung des Kirchenchores St. Silvester Emmingen unter Leitung von Tobias Störk und des Kirchenmusikdirektors und Bezirkskantors der Stadtkirche Tuttlingen Helmut Brand aus Tuttlingen ein Adventskonzert.